„Früher habe ich gerne Riesling getrunken, aber ich vertrage die Säure einfach nicht mehr“, sagen manche Weinliebhaber im Laufe ihres Lebens. Eines vorweg: Säure ist nichts Schlechtes, sondern elementarer Bestandteil des Weines. Säuren – sowohl Apfelsäure als auch Weinsäure – sind eine natürliche Konservierung in der Traube und wichtig für die Lebendigkeit und Haltbarkeit des späteren Weines. Wer einen empfindlichen Magen hat oder schlichtweg Säure nicht sehr mag, muss nicht auf Wein verzichten. Die Burgunder- und viele Aroma-Rebsorten sind generell säureärmer: Von Grauburgunder über Müller-Thurgau bis hin zu Gewürztraminer. Der Genießer findet sowohl säurearme Weißweine, Rotweine als auch Roséweine. Zum Beispiel ist Spätburgunder Rosé oder Merlot Rotwein säureärmer als andere Rebsorten. Viele mögen die Cremigkeit und Sanftheit dieser Weine. Gut zu wissen: Restzucker mildert Säure geschmacklich ab und lässt den Wein runder schmecken.
Säure im Wein – ohne geht es nicht!
Säure ist ein elementarer Bestandteil des Weines. Genau wie das Tannin, also die Gerbstoffe. Beide bilden die Basis, das Gerüst des Weines. Wie die Wirbelsäule bei einem Menschen. Wein ohne Säure schmeckt wie schlechter Saft. Er ist langweilig, flach, fad, öde, eindimensional. Ihm fehlt jegliche Spannung. Säure ist also per se nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil. Gut eingesetzte Säure steht für Lebendigkeit, Qualität und Stabilität bzw. Haltbarkeit des Weines.
Wein mit wenig Säure – Rebsorte, Region, Jahrgang entscheidend
Wie viel Säure in einem Wein enthalten ist, das kommt erstens auf die Rebsorte an und zweitens auf den Jahrgang bzw. auf die Region und die dort herrschenden klimatischen Bedingungen. Haben Sie schon mal eine Traube vom Stock Ende Mai probiert? Sie ist ganz hart und sauer. Das liegt vor allem an den beiden Säuren: Äpfelsäure und Weinsäure. Im Laufe des Sommers – Juni, Juli, August, September – nehmen die Säuren ab und der Zuckergehalt steigt. In Südspanien scheint die Sonne aber beispielsweise sehr viel intensiver und länger als in Rheinhessen. Die Säurewerte sinken schneller. Hat das Land kühle Nächte, wie zum Beispiel Südafrika, oder bleibt es auch nachts heiß? All dies sind wichtige Faktoren. Dementsprechend variieren alle biochemischen Prozesse in der Traube.
Südliche und nördliche Weinbaugebiete – Wer hat mehr Säure?
In den 1970er Jahren war eine zu hohe Säure tatsächlich noch ein Problem in Deutschland. Nicht selten haben Winzerinnen und Winzer den säurereichen Riesling deshalb mit dem säurearmen Müller-Thurgau verschnitten (was bis zu 15 % bis heute erlaubt ist, solange der Wein noch rebsortentypisch schmeckt). Aber: Der Klimawandel hat dies längst nivelliert. Hohe Reifegrade beim Riesling sind problemlos zu erreichen. Der Winzer muss in sehr heißen Sommern eher aufpassen, die Säure zu bewahren (wenn er dies will). Mit dem Lesezeitpunkt kann er entscheiden, wie hoch die Säure im Wein später ist. Wichtig: Es kommt immer auf die Balance, den Gesamteindruck von Süße und Säure an.
Welche Säuren gibt es im Wein?
Die beiden wichtigsten Säuren, die bereits in der Traube vorhanden sind und während des Sommers abnehmen, heißen Äpfelsäure und Weinsäure. Sie bilden über 90 % der Säuren in der Traube. Außerdem gibt es eine dritte wichtige Säure, die nicht in der Traube am Stock vorliegt, sondern erst während der Gärung gebildet werden kann, die sog. Milchsäure.
- Äpfelsäure: Diese Säure kommt in nahezu allen Früchten vor. Sie wirkt geschmacklich sehr unreif, sauer, spitz. Diese Säure nimmt im Laufe der Vegetation bei der Traube stärker ab als die Weinsäure. Der Lesezeitpunkt ist entscheidend!
- Weinsäure: Sie heißt so, weil sie vorwiegend in der Frucht Weintraube vorkommt. Sie ist die erwünschte Säure, denn sie gibt dem Wein Frische, Lebendigkeit und Kontur.
- Milchsäure: Beim biologischen Säureabbau (BSA) – im Fachjargon auch malolaktische Gärung genannt – wandeln Milchsäurebakterien die sauer schmeckende Äpfelsäure (nur diese, nicht die Weinsäure) in die milder schmeckende Milchsäure um. Der Wein schmeckt cremiger, voller und erhält mehr Komplexität. Dieser Prozess wird vor allem bei Rotweinen angewendet.
Weißwein mit wenig Säure: Burgundersorten unter 5 g/l
Die Burgundersorten sind prädestiniert für wenig Säure (sie heißen so, weil sie ursprünglich aus dem französischen Burgund stammen): also Grauer Burgunder, Weißer Burgunder oder Auxerrois. Auch Chardonnay gehört zu den Burgundersorten und kann (je nach Standort) säurearm sein, muss es aber nicht. Müller-Thurgau (Rivaner) ist in der Regel ebenso ein „ruhiger Vertreter“ wie der Silvaner. Wer Wein mit wenig Säure sucht, wird auch bei diesen Aroma-Rebsorten fündig: Gewürztraminer oder Gelber Muskateller. Es gilt: Bis zu einem Punkt von 5 Gramm/Liter Säure kann man den Wein als säurearm bezeichnen. Wer wenig Säure mag oder verträgt: Finger weg vom Riesling! Er ist für seine rassige Säure bekannt. Auch der Sauvignon Blanc ist oft „turbulent“.
Weiße Rebsorten bzw. Weißweine mit wenig Säure
- Gewürztraminer
- Grauer Burgunder
- Huxelrebe
- Muskateller
- Müller-Thurgau
- Solaris
- Viognier
- Weißer Burgunder
- und weitere …
Rotwein mit wenig Säure – von Natur aus weniger
Rotweine haben durchschnittlich, von Natur aus, weniger Säure als Weißweine. Dafür umso mehr Tannin. Wiederum sind es die Burgundersorten, die für wenig Säure stehen: Spätburgunder und Frühburgunder. Oder auch die Neuzüchtung Dornfelder und der internationale Star Merlot. Sie werden für ihre Samtigkeit und Anschmiegsamkeit geschätzt. Bei den Rotweinen und einigen Weißweinen strebt der Winzer zudem die malolaktische Gärung an (siehe Kasten).
Rote Rebsorten bzw. Rotweine mit wenig Säure
- Dornfelder
- Frühburgunder
- Lemberger
- Merlot
- Sankt Laurent
- Spätburgunder
- Trollinger
- und weitere ...
Gesundheitliche Aspekte von säurearmen Weinen
Ob ein säurereicher Wein als gesundheitlich unangenehm empfunden wird oder nicht, ist individuell. Mancher Weintrinker klagt über Magenschmerzen, Sodbrennen, Völlegefühl, Verdauungsstörungen. Möglicherweise verträgt er aber auch genau so wenig Orangen- oder Zitronensaft. Und hat vielleicht auch Probleme mit scharfem Essen. Sein Magen, seine Speiseröhre sind generell empfindlicher. Ähnliche Antwort für alle, die sich um ihren Zahnschmelz sorgen. Natürlich greifen Säuren den Zahnschmelz an. Das ist ganz normal. Das gilt für Wein, für Limonaden, für Salatdressing etc. Wichtig ist bei einer Weinverkostung oder längeren Weinprobe, immer wieder Wasser zu trinken. Das neutralisiert den pH-Wert und ausreichend Wasser tut dem Körper sowieso immer gut.
FAQ
Woran erkenne ich einen säurearmen Wein?
Säure wird in Gramm/Liter angegeben. Genau wie der Restzucker. Man kann sagen: Weine unter 5,0 Gramm/Liter Säure gelten als säurearm. Über 7,5 Gramm/Liter als säurestark. Gemeint ist damit die Gesamtsäure, also Äpfelsäure, Weinsäure und andere, wie Zitronensäure. Allerdings ist der geschmackliche Eindruck der Säure sehr stark abhängig von dem Wert des Restzuckers. Ist der Restzucker beispielsweise sehr niedrig, der Wein ist also trocken ausgebaut, so kann ein säurearmer Wein aber sehr viel saurer schmecken als erwartet. Zucker hingegen „puffert“ die Säure, mildert den Eindruck der Säure ab. Einem lieblichen Wein steht die Säure also vielleicht und Sie empfinden es nicht als zu spitz. Analysewerte sind also keine Garantie für säurearme Weine, wenn man diese nicht entsprechend einordnen kann.
Sagt der Alkoholgehalt auch etwas über die Säure im Wein aus?
Der Alkoholgehalt sagt etwas über den Lesezeitpunkt der Trauben aus. Es ist logisch, dass Weine mit niedrigem Alkohol früher gelesen werden als Weine mit hohem Alkohol (vergleiche Kabinettweine). Andererseits ist jedes Jahr unterschiedlich: Ist der Sommer kühl, so lagert sich weniger Zucker in der Traube ein, so bleiben die Alkoholwerte automatisch niedrig. Und dann ist da die Geschmacksrichtung: Liebliche Weine haben grundsätzlich weniger Alkohol als trockene Weine. Kompliziert? Ja, in dem Falle schon. Orientieren Sie sich besser an den säurearmen Rebsorten als am Alkoholgehalt.
Ich vertrage keine Säure. Soll ich am besten nur Weine aus südlichen Ländern trinken?
Jein. Weine aus südlichen Ländern sind generell säureärmer als Weine aus nördlichen Ländern. Aber die nördlichen Anbaugebiete haben aufgrund des Klimawandels mittlerweile ähnliche klimatische Bedingungen. Insofern: Kaufen Sie ein, wo es Ihnen beliebt. Aber meiden Sie Rebsorten, die per se säurereich sind, wie Riesling oder Sauvignon Blanc. Wir beraten Sie gerne.
Ist Säure gesundheitsschädlich?
Sind Fette per se gesundheitsschädlich? Nein, sondern lebensnotwendig, denn sie liefern Energie. Das Maß ist wie immer der entscheidende Punkt. Der Mensch braucht eine ausgewogene Ernährung. Wer in puncto Säure noch genauer schauen will, der informiert sich über den Säure-Basen-Haushalt. Auch Milch, schwarzer Tee, Schinken, Eier, Süßigkeiten etc. gehören beispielsweise zu den sog. Säurebildnern. Als basisch gelten hingegen Kräuter-Tees oder viele Gemüsesorten. Beim Weinkonsum empfehlen wir immer einen maßvollen Genuss. Trinken Sie ausreichend Wasser, essen Sie ein wenig Brot oder genießen Sie Wein zum Essen.
Haben trockene Weine mehr oder weniger Säure?
In dieser Frage vermischen sich zwei unterschiedliche Kategorien: Ob ein Wein trocken oder lieblich ist, das bezieht sich auf die Restsüße, also den Zucker. Davon unabhängig steht die Säure. Ein Wein kann trocken und säurereich sein, zum Beispiel ein Riesling. Ein Wein kann trocken und säurearm sein, zum Beispiel ein Müller-Thurgau.
Gibt es Wein ganz ohne Säure?
Nein. Er würde weich gespült schmecken, leblos und fade. Manche würden sogar sagen: Der Wein ist tot oder ist gekippt. Sogar ein guter Saft hat eine gewisse Säure.
Ich suche einen guten Rotwein mit wenig Säure. Welchen empfiehlt Ihr?
Spätburgunder hat wenig Säure und ist eher schlank. Merlot hat auch wenig Säure, ist aber sehr viel cremiger. Dornfelder weist ebenfalls wenig Säure auf, aber ist richtig üppig. Welches Mundgefühl mögen Sie lieber? Tipp: Unsere Cuvées sind in der Regel auch säureärmer.
Verändert die Lagerung den Säuregehalt des Weines?
Ja. Die Säure, das Gerüst verändert sich im Laufe der Jahre. Rieslinge sind deshalb so lange lagerbar, weil sie eben ein starkes Säuregerüst haben.
Ich mag halbtrockene, liebliche und süße Weine. Die Säure ist da gar nicht so präsent, oder? Das stimmt. Zumindest geschmacklich betrachtet. Man nimmt vorwiegend die Süße wahr. Aber das bedeutet nicht, dass die Säure nicht vorhanden ist. Auch halbtrockenen oder lieblichen Weinen steht eine gewisse Säure sehr gut. Man spricht hier von der Süße-Säure-Balance.
Weinsäure und Weinstein. War da nicht was?
Weinsteine sind die kleinen, feinen Kristalle, die bei manchem Wein „ausfallen“, also sich am Flaschenboden absetzen. Sie sind unbedenklich und beeinflussen nicht den Geschmack. Und korrekt, sie entstehen, wenn natürlich enthaltene Mineralien (beispielsweise Kalium) sich mit Weinsäure verbinden. Vor allem bei einer sehr kühlen Weinlagerung ist dies zu beobachten. Weinstein kann bei reiferen als auch bei jüngeren Weinen vorkommen. Wer Weinstein in der Flasche findet, sollte behutsam einschenken oder dekantieren. Der Wein wird bedenkenlos getrunken, die Weinsteine werden nicht mitgekaut. Sonst knirscht es.
Wie Sie Wein lagern, erklären wir Ihnen in unserem weiterführenden Beitrag.